Früh am Morgen stecken sie mich auf die 5-Mann-Zelle, die Sechser sind alle belegt. Kein Vergleich mit dem Loch, in dem ich jetzt über fünf Tage lang mit den zwei Jungs hausen mußte. Ein großer Raum, an beiden Ende je ein Etagenbett. Ich frage den Schließer, wo ich denn pennen soll. Er zeigt auf die Pritsche, direkt neben dem großen Tisch, die mir bis jetzt noch gar nicht aufgefallen ist. So ziemlich die beschissenste Stelle überhaupt. Der kleine Fernseher läuft, obwohl jeder von meinen neuen Zellenkollegen noch am knacken ist. Ich schnapp mir die Fernbedienung und zapp erstmal ne Runde. Wie geil so ne Kiste ist, weiß ich spätestens seit den letzten fünf Tagen, da hätten wir für’n Fernseher so ziemlich alles getan.
Nach und nach werden alle wach. Ein serbischer Zigeuner, ein Türke, ein Russe und ein Deutscher. Nach kurzer Zeit ist klar was Sache ist. Den Russen und den Deutschen kannst du in die Tonne kloppen, zwei arrogante Fatzken, mit denen ich mich in den nächsten Tagen nicht einmal unterhalten werde. Der Zigeuner ist ganz ok, aber dreht sich gerne wie das Fähnchen im Wind, je nachdem wer ihm welche Vorteile bringt. Aber Tuncay ist ein absolut gerader Typ, ich weiß sofort, solang der mit auf Zelle ist, wird es nicht nur lustig werden, der sagt jedem auch ehrlich ins Gesicht, was er denkt. Und nach ein paar Gesprächen weiß ich mal wieder wie klein die Welt ist.
Vor ca fünfzehn Jahren kaufte ich eine Zeit lang Schore bei nem Italiener. Bis die Bullen bei ihm einschneiten. Er machte eine sogenannte Lebensaussage, was bedeutete, daß er alles auf den Tisch legte, um seinen Arsch zu retten. Besser gesagt, statt sechs, bekam er nur zwei Jahre. Was mich als sein Kunde 5000 ( in Worten FÜNFTAUSEND ) D-Mark kostete. Sie hatten sein Telefon abgehört, ich hatte mich aber nie mit meinem Namen gemeldet- den lieferte ihnen der Itaka. Zehnmal bestellte ich am Telefon n Fuffi, insgesamt fünf Gramm. Pro Gramm also n Tausender- ist das nicht toll? Ich könnte heute noch kotzen, wenn ich drüber nachdenke. Ich bin mir sicher, es wurde so teuer, weil ich ihnen Hassi nicht lieferte. Ita-Spacko hatte ausgesagt, daß Hassi und ich immer zusammengekauft hätten, aber zum Glück kannte er seinen richtigen Namen nicht. Als die Bullen den aus mir rauskitzeln wollten, stellte ich mich natürlich dumm, was sie gar nicht lustig fanden. Man muß sich das vorstellen- es ging nicht um irgendeinen Dealer, sondern um einen kleinen Junkie, der sich einfach nur seinen Stoff besorgt hatte. Noch Fragen? Sein Zeug bezog der Itaka damals von einem jungen Türken- sein Name: Tuncay. Die sechs Jahre durfte ER damals abreißen. Natürlich war sein Haß damals so groß, daß er lange Zeit Rachegedanken hegte und fünfzehn Jahre später hätte er jetzt von mir erfahren können, wo der Typ heute wohnt- Remscheid ist klein, wenn’s um Drogis geht. Natürlich war auch der Spaghetti immer noch drauf. Aber erstens hätte ich es ihm nicht gesagt und zweitens war er mittlerweile selber schlau genug, um zu wissen, daß das nur unnützen Ärger bringen würde. Und manchmal heilt die Zeit eben Wunden. Vielleicht nicht ganz, aber man wird älter und klüger.
Nach zwei Wochen kann man mit ner Einzelzelle rechnen, was natürlich am angenehmsten ist, vorausgesetzt, daß man ne Glotze auf Hütte hat. Aber auch so hab ich mich jetzt ganz gut eingelebt. Alle zwei Wochen ist Einkauf und da ich genau an dem Tag im Knast kam, als es Abrechnung gab, hab ich noch Flocken übrig. Es kann sich kein Schwein vorstellen, wie geil es im Knast kommt, wenn ne Lieferung mit Tabak, Kaffee, Cornflakes, Schokolade, Zeitungen und anderen Sachen ankommt. Dann noch das Feeling, wenn der Schließer vorbeikommt und Post für dich hat- in dem Zusammenhang ist Knast gar nicht soo schlimm, vorausgesetzt man hat nur ein paar Monate abzureißen. Der Nachteil in Wuppertal ist, daß man nur einmal im Monat Besuch empfangen kann. In Remscheid drei- bis viermal. Warum das so ist? Reine Willkür !
Nach zwei Wochen bin ich jetzt auf Einzelzelle. Und das ist dann wiederum ein Vorteil in Wuppertal – ich hab direkt ne Glotze parat. In Remscheid muß man erst n Antrag stellen und dann können irgendwann mal nach zwei, drei Wochen die Verwandten einen vorbeibringen. Warum das so ist? Genau…
Es läuft alles ganz gut. In der Freistunde spiel ich Schach. Noch ne gute Sache, ich liebe Schach und hab’s seit Jahren nicht gespielt, weil ich draußen einfach keinen finde, der Bock hat. Ich kann’s immer noch ganz gut, es macht Spaß ein paar selbsternannten Schachkönigen ihre Grenzen aufzuzeigen. Auf Zelle glotz ich viel fern, lese aber auch viel und schreibe allen Leuten, die ich mag Briefe. Unter anderem erwähn ich auch in einem Brief an Claudia, daß eine Schließerin echt korrekt ist und daß ich fast das Gefühl hab, daß sie mit mir ein bißchen flirtet, aber daß ich ja Katrin hätte.
Ein Tag später schließt ein Beamter meine Zellentür auf und meint ich solle zum Stationsleiter im Büro. Da ich letztens bei dem wegen ner Weihnachtsamnesty vorgesprochen habe, denke ich, daß ich vielleicht Glück habe und er mir die gute Nachricht persönlich mitteilen will. Kaum habe ich die Tür hinter mir zu gemacht, fängt der Typ an zu brüllen.
„Sie sagen mir jetzt sofort von welcher Schließerin Sie in dem Brief gesprochen haben !“
Bis jetzt wollte ich einfach nicht glauben, daß die jeden Brief durchlesen, der nach draußen geht. Aber da hab ich mich wohl schwer geirrt.
„Ich hab in dem Brief gelogen. Ich wollte nur Eindruck machen !“
„Sie wollen mich wohl verarschen. Sie nennen mir jetzt sofort den Namen der Beamtin, ansonsten werden Sie verlegt. Und dann könnte es sein, daß Sie in Bochum, Köln oder Bielefeld landen. Oder noch weiter weg.“
Ich liege wieder in der Drei-Mann-Zelle, in der ich die ersten fünf Tage war, diesmal warte ich allerdings nicht darauf, daß ich auf Station komme, sondern, daß ich in einen anderen Knast verlegt werde. Oh Mann, so eine Scheiße. Und das alles wegen so nem kack Brief. Diesmal bin ich mit zwei Kasachen zusammen, die beide nicht ein Wort deutsch können. Glotze ist auch nicht, Kippen sind noch auf meiner alten Zelle. Lange hab ich mich nicht mehr so elendig gefühlt. Eigentlich wollte mich Katrin morgen besuchen, aber wer weiß in welch anderem Loch irgendwo in NRW ich dann schon häng …
Ein Tag später geht die Zellentür auf und der Sozialarbeiter kommt rein.
„Sie werden .morgen nach Remscheid verlegt.“
Ich kann mein Glück nicht fassen. Erstmal werde ich nachher noch Katrin sehen, um dann morgen zurück in die Heimal verlegt zu werden, wo ich die letzten zwei Monate abreißen kann und wo ich dreimal öfters Besuch bekommen kann als hier. Kaum ist der Sozialmensch verschwunden, schauen mich zwei Kasachen überrascht an- Der deutsche Knasti hat ihnen vor lauter Freude n Schmatzer auf die Wange gedrückt…