Endlich ! Es klingelt und ein Typ in Trainingsanzug kommt die Treppe hoch. Vom Sehen kenn ich ihn, er trainiert die E – oder D – Jugend, glaub ich. „Ich wollt die Bälle vorbeibringen.“ „Alles klar, können Sie mir geben. Mein Vater ist momentan unterwegs.“
Jetzt heißt es Beeilung ! In der Tragetasche befinden sich fünf Sparbüchsen in Form von Fußbällen. Gerade hat der FC gegen den WSV gespielt. Ich schätze Drei -, Viertausend werden sich das Spiel gegeben haben, also müßte gut was zusammengekommen sein. Mein Plan scheint aufzugehen. Jetzt nur nicht drüber nachdenken, daß sie meinen Vater als Kassierer der Jugendabteilung blind vertrauen. Und das völlig zu Recht – niemals würde mein Pa auch nur eine einzige D- Mark unterschlagen, ich glaube eher würde er verhungern. Leider hat keiner die Rechnung mit seinem Junkie – Sohn gemacht…
Ich hole den Schlüsselbund aus dem Schlafzimmerschrank. Schließe den ersten Ball auf. Zwei Zwannis, ein Zehner und ne Menge Blanker. Ich nehme einen Zwanni, vier Heiermänner und einige Mark – und Zweimarkstücke, schmeiß die Kohle einfach in ne Aldiplastiktüte. Ich darf nicht übertreiben – natürlich weiß kein Schwein wieviel heute insgesamt gesammelt wurde, aber ich muß schon ein paar Hundert drin lassen, sonst fällt’s hinterher doch noch auf. Hauptsache ich hab heut abend keinen Turkey! Ich öffne den zweiten Ball…
In der Alditüte befinden sich ca 200 Schleifen. In den letzten zwei Bällen war komischerweise kaum was drin, da scheinen zwei Kids die Sache nicht richtig ernstgenommen zu haben ! Naja, scheiß der Hund drauf, reicht für heute. Als ich Richtung Hassi losmarschiere, kommen gerade meine Eltern von ihrem Sonntagsausflug zurück. Sie winken im Vorbeifahren – ich winke zurück !
Wir tanken den Nissan voll und heizen Richtung Heerlen. Hatte mir schon gedacht, daß Hassi auch blank ist. Mit 150 Tacken lohnt es sich nicht wirklich, aber bevor wir uns auf der Platte irgendn Abzug abholen, können wir uns in Holland unserer drei Gramm sicher sein. Mit anderen Worten, es lohnt sich doch. Es lohnt sich immer, spätestens dann, wenn du nach dem ersten Pitsch die innere Wärme fühlst, die sich über deine Vene im ganzen Körper ausbreitet.
Außerdem genieße ich die Fahrten, solang ich noch nicht auf’m Affen bin. Diesmal dröhnt Monster Magnet’s „Dopes to Infinity“ aus den Boxen, während Hassi’s rechter Fuß das Gaspedal wie meistens bis zum Anschlag durchtritt. Geile Scheibe, eigentlich voll die LSD-Mucke, aber es fühlt sich auch ohne Trip so an als würden wir fliegen.
Chucki ist nicht da, aber kein Problem – die ganze Family ist involviert. Dann regelt das eben eine seiner Schwestern und wenn die nicht, dann ist da immer noch Big Mama, die mich immer an Whoopi erinnert, nur ein paar Jahre älter. So auch heute. Ich stecke den fetten Bubble in die Kippenschachtel, drück ihr die Kohle in die Hand und schon sind wir wieder weg.
Bis letztes Jahr war die Regel, daß wir uns gleich hinter der Grenze ein ruhiges Plätzchen suchen und uns erstmal einen machen, aber die Erfahrung hat gezeigt, daß es besser ist, ganz ohne Drogenutensilien gleich wieder zurückzubrettern. Als wir durch Kerkrade durch sind und die Schnellstraße bei Aachen erreichen, zünde ich mir genüßlich die letzte Kippe an, knüll die leere Gauloises zusammen und werfe sie aus dem Fenster. Hassi scheint das Pedal noch härter durchzutreten, wie immer auf den Rückfahrten, es läuft Sonic Youth‘ „Goo“.
Endlich zu Hause. Hassi parkt in der Einfahrt, wir steigen aus. „Du hast das Zeug?“
Es fühlt sich an, als hätte mir jemand mit der berühmten Keule auf den Schädel gehauen. „Ich blöder Wichser ! Boh, bin ich ne arme Sau!“
Ich weiß noch genau an welcher Stelle ich die Schachtel rausgeworfen habe. „Weißt du, wieviel Autos da herheizen?“ Hassi hat starke Zweifel, aber da ist er nicht der Einzige. Erstmal brauchen wir Kohle um nachzutanken.
Meine Eltern pennen schon. Daß ich vorhin die FC- Jugendabteilung beklaut habe, hatte ich schon erfolgreich verdrängt, der Zwanni aus Pa’s Portemonnaie wiegt eindeutig schwerer…
Auf der Fahrt nach Aachen schweigen wir uns an, Musik läuft auch nicht. Keine Ahnung wie ich an Hassi’s Stelle reagiert hätte, Fakt ist, sollte die Schachtel nicht mehr da liegen, dann heißt es Affe schieben.
Mittlerweile haben wir 12 Uhr nachts, in Aachen ist immer noch viel Verkehr. „Fahr mal langsamer, die Stelle müßte jetzt kommen.“ Und tatsächlich, da liegt was Zusammengeknülltes Blauweißes. Hassi fährt rechts ran, ich steige aus…
Wir liegen uns in den Armen, danach klatschen wir uns noch ab. Das Leben ist schön ! Als wir heimwärts fahren, hören wir Smashing Pumpkins‘ „Mellon Collie and the Infinite Sadness“, volle Lautstärke. Hassi fährt entspannt.