Schmeiß weg den Scheiß

IMG_20160701_070410480_HDREndlich ! Es klingelt und ein Typ in Trainingsanzug kommt die Treppe hoch. Vom Sehen kenn ich ihn, er trainiert die E – oder D – Jugend, glaub ich. „Ich wollt die Bälle vorbeibringen.“ „Alles klar, können Sie mir geben. Mein Vater ist momentan unterwegs.“

Jetzt heißt es Beeilung ! In der Tragetasche befinden sich fünf Sparbüchsen in Form von Fußbällen. Gerade hat der FC gegen den WSV gespielt. Ich schätze Drei -, Viertausend werden sich das Spiel gegeben haben, also müßte gut was zusammengekommen sein. Mein Plan scheint aufzugehen. Jetzt nur nicht drüber nachdenken, daß sie meinen Vater als Kassierer der Jugendabteilung blind vertrauen. Und das völlig zu Recht – niemals würde mein Pa auch nur eine einzige D- Mark unterschlagen, ich glaube eher würde er verhungern. Leider hat keiner die Rechnung mit seinem Junkie – Sohn gemacht…
Ich hole den Schlüsselbund aus dem Schlafzimmerschrank. Schließe den ersten Ball auf. Zwei Zwannis, ein Zehner und ne Menge Blanker. Ich nehme einen Zwanni, vier Heiermänner und einige Mark – und Zweimarkstücke, schmeiß die Kohle einfach in ne Aldiplastiktüte. Ich darf nicht übertreiben – natürlich weiß kein Schwein wieviel heute insgesamt gesammelt wurde, aber ich muß schon ein paar Hundert drin lassen, sonst fällt’s hinterher doch noch auf. Hauptsache ich hab heut abend keinen Turkey! Ich öffne den zweiten Ball…

In der Alditüte befinden sich ca 200 Schleifen. In den letzten zwei Bällen war komischerweise kaum was drin, da scheinen zwei Kids die Sache nicht richtig ernstgenommen zu haben ! Naja, scheiß der Hund drauf, reicht für heute. Als ich Richtung Hassi losmarschiere, kommen gerade meine Eltern von ihrem Sonntagsausflug zurück. Sie winken im Vorbeifahren – ich winke zurück !

Wir tanken den Nissan voll und heizen Richtung Heerlen. Hatte mir schon gedacht, daß Hassi auch blank ist. Mit 150 Tacken lohnt es sich nicht wirklich, aber bevor wir uns auf der Platte irgendn Abzug abholen, können wir uns in Holland unserer drei Gramm sicher sein. Mit anderen Worten, es lohnt sich doch. Es lohnt sich immer, spätestens dann, wenn du nach dem ersten Pitsch die innere Wärme fühlst, die sich über deine Vene im ganzen Körper ausbreitet.
Außerdem genieße ich die Fahrten, solang ich noch nicht auf’m Affen bin. Diesmal dröhnt Monster Magnet’s „Dopes to Infinity“ aus den Boxen, während Hassi’s rechter Fuß das Gaspedal wie meistens bis zum Anschlag durchtritt. Geile Scheibe, eigentlich voll die LSD-Mucke, aber es fühlt sich auch ohne Trip so an als würden wir fliegen.

Chucki ist nicht da, aber kein Problem – die ganze Family ist involviert. Dann regelt das eben eine seiner Schwestern und wenn die nicht, dann ist da immer noch Big Mama, die mich immer an Whoopi erinnert, nur ein paar Jahre älter. So auch heute. Ich stecke den fetten Bubble in die Kippenschachtel, drück ihr die Kohle in die Hand und schon sind wir wieder weg.

Bis letztes Jahr war die Regel, daß wir uns gleich hinter der Grenze ein ruhiges Plätzchen suchen und uns erstmal einen machen, aber die Erfahrung hat gezeigt, daß es besser ist, ganz ohne Drogenutensilien gleich wieder zurückzubrettern. Als wir durch Kerkrade durch sind und die Schnellstraße bei Aachen erreichen, zünde ich mir genüßlich die letzte Kippe an, knüll die leere Gauloises zusammen und werfe sie aus dem Fenster. Hassi scheint das Pedal noch härter durchzutreten, wie immer auf den Rückfahrten, es läuft Sonic Youth‘ „Goo“.

Endlich zu Hause. Hassi parkt in der Einfahrt, wir steigen aus. „Du hast das Zeug?“
Es fühlt sich an, als hätte mir jemand mit der berühmten Keule auf den Schädel gehauen. „Ich blöder Wichser ! Boh, bin ich ne arme Sau!“
Ich weiß noch genau an welcher Stelle ich die Schachtel rausgeworfen habe. „Weißt du, wieviel Autos da herheizen?“ Hassi hat starke Zweifel, aber da ist er nicht der Einzige. Erstmal brauchen wir Kohle um nachzutanken.
Meine Eltern pennen schon. Daß ich vorhin die FC- Jugendabteilung beklaut habe, hatte ich schon erfolgreich verdrängt, der Zwanni aus Pa’s Portemonnaie wiegt eindeutig schwerer…

Auf der Fahrt nach Aachen schweigen wir uns an, Musik läuft auch nicht. Keine Ahnung wie ich an Hassi’s Stelle reagiert hätte, Fakt ist, sollte die Schachtel nicht mehr da liegen, dann heißt es Affe schieben.
Mittlerweile haben wir 12 Uhr nachts, in Aachen ist immer noch viel Verkehr. „Fahr mal langsamer, die Stelle müßte jetzt kommen.“ Und tatsächlich, da liegt was Zusammengeknülltes Blauweißes. Hassi fährt rechts ran, ich steige aus…

Wir liegen uns in den Armen, danach klatschen wir uns noch ab. Das Leben ist schön ! Als wir heimwärts fahren, hören wir Smashing Pumpkins‘ „Mellon Collie and the Infinite Sadness“, volle Lautstärke. Hassi fährt entspannt.

Die Paranoia der Benzofrau

IMG_20160701_072246445Seit zwei Monaten wohne ich in der Dowidat, ein Haus weiter, wo früher Ralle und Rita gewohnt haben und wo wir damals über zwei Jahre lang unsere Hardcorekifferphase ausleben konnten. Es ist eine Notlösung, ohne Auto bin ich hier einfach zu weit vom Schuß. Oben an der Hauptstraße, gleich da, wo man runter zur Dowi abbiegen kann, wohnt die einzige mir bekannte Person weit und breit – Iris H., zwei Jahre älter als ich, 1,60 m klein, kurze grau-beige-blond-braune (kurz gesagt: Farbe undefinierbar) Haare, unter ihrer Panzerglashornbrille zwei verschiedenfarbige Augen, bei denen man nie genau weiß, wohin sie schauen – weil extrem schielend -, das Gesicht quasi durchgehend von einer Art Akne befallen, zwei Söhne – 6 und 13 Jahre alt. Beide wohnen erst seit Kurzem wieder bei ihr, nachdem sie einige Jahre im Heim verbracht haben. Das heißt der Große, den Kleinen hat sie wohl erstmal nur zwei, drei Tage in der Woche, der pennt auch noch woanders. Iris war eine der Allerersten aus unserem Kaff, die auf Schore hängengeblieben sind. Nicht nur das, viel krasser ist ihr Benzodiazepin – Konsum. Seit Jahren frißt sie die Dinger wie Smarties und mir ist es ein absolutes Rätsel, wie sie es geschafft hat ihre Jungs zurückzubekommen, nachdem sie die Zeit im Knast überhaupt keinen Kontakt zu den beiden hatte.
Neuerdings dealt sie ein bißchen und wie es eben so ist, wenn man nur zwei Minuten entfernt wohnt, bin ich jetzt ein paarmal bei ihr gelandet. Allerdings nur im äußersten Notfall. Kurs und Material sind sogar echt in Ordnung, aber die Frau ist so unfaßbar verpeilt durch ihre ganzen Pillen, daß es schonmal anderthalb Stunden dauern kann, bis sie es schafft, je nachdem, ein oder zwei Gramm abzupacken. Du sitzt da und willst so schnell wie möglich wieder nach Hause, sagst ihr auch zigmal, daß du nur wenig Zeit hast und daß sie hinnemachen soll, aber sie schafft es einfach nicht schneller. Außerdem mag ich ihren Sohn. Den Kleinen hab ich noch nicht bei ihr gesehen, aber der Große bekommt meistens den ganzen Scheiß mit. Er ist ein heller Bursche und steckt seine Mutter jetzt schon im Sack. Meistens kümmert er sich um sie und nicht umgekehrt. Das einzig Richtige wäre wohl das Jugendamt anzurufen, damit er hier schnell wieder rauskommt, stattdessen sitze ich hier und zocke mit ihm ne Runde Maumau, während die Trulla mal wieder nichts auf die Kette kriegt. In solchen Momenten ist mir voll bewußt, daß ich echt kaputt bin, denn was hat der Junge mit unserer Junkiescheiße zutun? Gleich bin ich weg und dann kommt der Nächste…

Als ich sie anrufe, ist sie völlig aufgelöst. „Die Schweine haben mir mein Zeug und das Geld geklaut. Was soll ich denn jetzt machen?“
Als ich in ihrer Wohnung bin, erfahre ich, daß sie sich an den gestrigen Abend kaum erinnern kann. Sie weiß, daß um 22 Uhr noch zwei Junks was gekauft haben und daß das Zeug mit der Kohle jetzt verschwunden ist. Angeblich hat sie alles zigmal abgesucht, aber ihr wäre von Anfang an klar gewesen, daß die Pisser sie abziehen wollten. Während ich sie aus der Küche weiter fluchen höre, gehe ich in’s Kinderzimmer und öffne die linke obere Schranktüre. Vor ein paar Tagen hatte ich gesehen, wie sie die Schore dort rausholte. Unter einer Kiste mit Legosteinen finde ich eine Dose ,wo sie die Pesola-Federwaage, den Beutel und ca 400 € verstaut hat. „Wie verpeilt bist du eigentlich? Und such dir ein anderes Versteck!“
Zum Dank streut sie mir n Knaller, den nehm ich natürlich gerne an, obwohl ich hier ganz schnell wieder raus will.

Drei Tage später, diesmal ruft sie mich an, ist sie sich zu 100% sicher. „Glaub mir bitte, ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl bei der Bitch, die hat nur darauf gewartet mich zu beklauen !“ „Und was willst du jetzt von mir?“ „Kannst du mir nicht ein bißchen Metha abdrücken?“
Diesmal brauch ich immerhin zehn Minuten, bis ich die Dose finde – anderes Zimmer, anderer Schrank. Vorher lästert sie über die verfluchte Schlampe, die seit Tagen nach der Dose geschielt habe.“Hör auf soviele Pillen zu fressen ! Und hör auf über deine Kunden abzurotzen !“ Ich verzichte diesmal auf den Knaller, hab zu Hause selber was.

Diesmal hat es tatsächlich nur einen Tag gedauert. Diesmal gibt es keinen Zweifel. Diesmal brauche ich mir erst gar keine Mühe geben. Sie sitzt wie immer in der Küche, die Jungs sind zum Glück wieder in der Schule, während ich Wohn- und Kinderzimmer eher oberflächlich durchstöber. Mit Verdächtigungen hält sie sich zurück, obwohl sie sich sowas von sicher ist, daß sie beklaut wurde. Ich gehe ins Schlafzimmer, öffne den großen Schrank, greife unter einen Stapel Handtücher…
Ich zähle 90 Eus, den Beutel schätze ich auf knappe fünf Gramm. „Diesmal hast du wohl recht. Ich hab überall nachgeschaut- Nichts…!“

Die Pesola-Federwaage zeigt 3,2 an, das heißt 1,1 habe ich bis jetzt plattgemacht. Ich fühle mich schlecht. Sie hat immer korrekt gegeben. In all dem Junk, in dem sie lebt, konnte ich trotzdem erkennen, daß sie ihren Sohn sehr liebt – und er liebt seine Ma. Durch das Pulver und vor allem durch die Tausenden Diazepams, Flunitrazepams und Rohypnols, die sie in all den Jahren geschluckt hat, schnallt sie einfach nicht mehr, daß ihre Kinder in diesem Umfeld keine Zukunft haben. Sie begreift nicht, daß die beiden stürzen werden, wenn sie nicht losläßt.
Ich schätze, ab jetzt wird sie über MICH herziehen, mit dem klitzekleinen Unterschied, daß ich sie tatsächlich bestohlen hab. Am Liebsten würde ich ihr die Dose zurückbringen, aber es fehlen schon ein Gramm und 30 Eus. Ich koch gleich noch einen auf, je schneller alles weg ist, desto besser…

Ein knappes Jahr später, ich habe die Dowidat längst verlassen, erfahre ich, daß die Jungs wieder im Heim sind. Irgendein Bekannter bricht seine Entgiftung in der Stiftung Tannenhof ab und geht von da aus praktischerweise gleich zu Iris, ihre Wohnung keine zweihundert Meter vom Krankenhaus entfernt. Er kocht sich einen auf und gibt sich den Goldenen. Während er in der Küche stirbt, sitzt Iris im Wohnzimmer. Es läuft gerade „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“…

Cold Turkey in Hot Thailand

IMG_20160617_073242104Wir fliegen mit der Biman Bangladesh Airline. Vorteil: wir sparen einiges an Kohle im Vergleich zur Thai Airways. Nachteil: anstatt zwölf- sind wir über zwanzig Stunden unterwegs – mit Zwischenstopp in Dhaka. Im Flieger lerne ich ein paar fertige Ossis kennen, die zum Ficken zuerst nach Bangkok und später zur Sextourismushochburg nach Pattaya reisen. Der selbsternannte Anführer, ein kleiner, blonder, schmieriger Typ mit Schweinsaugen verbindet sein Hobby mit irgendwelchen krummen Geschäften, Klamotten- und Uhrenschmuggel in etwas größerem Stil. Er zeigt mir zum Beweis seinen Reisepaß mit unzähligen Stempeln vom thailändischen Zoll, alleine vier dieses Jahr und wir haben APRIL. Anscheinend habe ich irgendwas Vertrauensvolles an mir, passiert mir nicht zum ersten Mal, daß mir eine bis eben noch fremde Person seine Geheimnisse ausplaudert. Natürlich ist er mächtig stolz – ich glaube er hält sich für eine Art Mafiapaten – und er hat wohl gleich gecheckt, daß ich nicht derjenige bin, der nicht selbst irgendwo Scheiße am Stecken hat. Er textet mir n Knopf ans Ohr, bis mir irgendwann wie von selbst die Augen zufallen.

Als ich die ganzen bewaffneten Langbärte am Flughafen sehe, raffe ich zum ersten Mal, daß Bangladesh eins von diesen super toleranten Islamländern ist. Bestätigt bekomme ich dies noch vom Anblick der malochenden Frauen, die unter Aufsicht einiger bewaffneten Langbärten  riesige Steine von a nach b schleppen müssen.
Erst jetzt wird mir bewußt, daß ich ein Gramm Schore in der Tasche habe und was die wohl mit mir machen werden, wenn sie das finden. Wegschmeißen kommt trotzdem nicht in Frage !
Als ich den Flug gebucht hab, sah ich das als letzte Chance unsere Beziehung zu retten. Zwei Fliegen mit einer Klappe, so war der Plan. Ich biete ihr endlich mal einen geilen Urlaub und gleichzeitig schaff ich es diesmal den Turkey durchzuziehen. Nach der Entgiftung letztes Jahr in Langenberg war ich gleich wieder rückfällig. Außer dem einen Gramm Schore, habe ich nichts mit – keinen ekligen DHC – Saft, kein Pola oder Metha – nur noch ein paar wenige Knaller und dann war’s das. Aber auf die will ich definitiv nicht verzichten !

Zwei Tage Bangkok haben wir hinter uns. Nach der Landung überredeten uns die Ossis mit ihnen mitzukommen, weil sie das beste preisgünstige Hotel der City kennen würden und diese Stadt muß man mal erlebt haben. Im Nachhinein weiß ich, was sie so toll an der Behausung fanden – unten war ne Disco und man konnte von da direkt mit dem Aufzug die Mädels mit hoch auf’s Zimmer nehmen. Überhaupt ist die ganze Stadt ein riesengroßer Puff. Ich hab mit ihr ne Stadtrundfahrt gemacht. Ansonsten hab ich mir das Gramm weggedrückt und abends auf dem VHS, das die Ossijungs auf ihrer Bude hatten, zwei neue Filme angeschaut; „Fear and Loathing in Las Vegas“ und „Bube, Dame, König, Grass“ Beide ziemlich abgefahren. Morgen düsen wir weiter nach Phuket !

Schon der Flug nach Phuket und das Einchecken war die Hölle. Der Turkey hat mich längst gepackt und ich frage mich, wie ich so bescheuert sein konnte. Abends schlepp ich mich zur Promenade, aber außer Dope ist da nichts am Start. Vor ein paar Jahren habe ich mal in Kerkrade Thaischore gekauft. Das Zeug war wirklich weiß. Und richtig geil. Und jetzt bin ich vor Ort und nichts geht. Ich ruf Toni in Deutschland an und beschwätz ihn, daß er mir mit der Post was rüber schickt. Als ich an der Rezeption Bescheid sage, daß irgendwann ein Paket für mich ankommt, erfahre ich, daß die thailändische Post eine Woche lang geschlossen hat – wegen Songkran, dem einheimischen Neujahrsfest.

Nachdem ich tagelang das Zimmer nicht verlassen habe, verspreche ich, heut abend mit ihr Essen zu gehen. Wir haben das Hotel noch nicht verlassen, als ich mich von oben bis unten vollscheiße. Ich habe keine Kontrolle mehr über meinen Schließmuskel. Die Brühe läuft mir unter meinen Shorts die Beine runter, irgendwie schaff ich es zurück auf’s Zimmer, ohne daß jemand von dem Dilemma etwas mitbekommt. Außer ihr natürlich.

Sogenannte Experten würden behaupten, daß es nicht möglich ist, aber ich habe jetzt, abgesehen von vereinzelten Minuten, seit über zehn Tagen nicht mehr richtig gepennt. Eins weiß ich ganz sicher: nie wieder kalter Entzug !
Nach zwölf Tagen gehe ich raus und leih mir ne Vespa. Fehler ! Egal wo ich auftauche, die Thais haben einen riesigen Spaß daran, alle Touristen aus ihren riesigen Wasserpistolen naßzuspritzen. Ich steh an einer Ampel, von der Seite kommt ein Knirps angelaufen und schüttet mir einen eiskalten Eimer Wasser über meinen Schädel – Thailand feiert Neujahr…

Als es mir nach vierzehn Tagen endlich besser geht und das Gröbste überstanden ist, kommt Post für mich an…
Ein Werkzeugkatalog aus der Firma von Toni’s Vater, auf Seite 23 mit Tesafilmstreifen eingeklebt: ein Pack ! Inhalt: ca 1,5 g Hollandschore !

Ich habe ihr erklärt, daß ich ein paar Tage eher nach Hause fliege, sie soll sich allein noch ein paar schöne Tage gönnen. Dabei war sie die ganze Zeit allein – abgesehen von den zig Stunden, wo sie Krankenschwester spielen mußte und mir beistand.

Nach über zwanzig Stunden übelsten Turkey im Flieger, sitze ich im ICE und ruf vom Zugtelefon aus Toni an. Ich müßte noch n Hunni auf meinem Konto haben…

Therapie (3)

Die Träume sind da. Das heißt,eigentlich ist es immer der selbe Traum, nur die Handlung variiert ein bißchen von Nacht zu Nacht. Es fängt damit an, daß ich Heroin besorgen will. Es gilt von Anfang an Hindernisse zu überwinden, von Autos, die nicht anspringen, über Kohle, die ich erst noch besorgen muß, bis zu Dealern, die außer Haus sind. Nach langem Hin und Her koche ich irgendwann dann doch die Schore auf. Jetzt könnte noch gut sein, daß die Pumpe verstopft ist, aber auch dafür finde ich eine Lösung. Ich ziehe endlich die geliebte braune Suppe auf, binde meinen Arm ab…und… Ich werde wach, Shirt, Kissen und Decke sind sickenaß. Den Suchtdruck empfinde ich fast körperlich, ein leichter, aber intensiver Druck in der Herzgegend. Ich will nur noch ganz schnell raus und irgendwo was abchecken…

Im Traum kann man nicht sterben- und im Traum kann man sich keinen Knaller machen…

Die Jägermeisterflachmänner entsorge ich im Keller, wenn ich den Bestand prüfe. Die leeren Pullen verstecke ich hinter einer Kiste in der Ecke. Ich stelle mir vor, wie sie in ein paar Jahren entdeckt werden und die nachfolgende Junkiegeneration sich dann dafür, unschuldig, verantworten muß. Es fing an, als Sascha anstelle von Gregor auf’s Zimmer kam. Schon in der ersten Nacht hatten wir uns gegenseitig heißgelabert. Janette war sofort dabei und so war es ein Klacks im Dreierausgang den Alk zu kaufen und später in ihrer Handtasche reinzuschmuggeln. Sie filzen zwischendurch zwar mal stichprobenartig, aber extrem selten. Es stimmt wirklich, Jägermeister bewirkt mit seiner Kräutermischung tatsächlich einen etwas anderen Rausch, als anderer Alk. Sehr angenehm. Killten wir anfangs nachts immer jeweils eine von den 0,2 l Dingern, sind es eine Woche später schon zwei. Aber morgens um 9 Uhr, wenn wir abpusten müssen, zeigt das Gerät immer noch 0,0 an… Eigentlich ist der Zeitpunkt gekommen um abzubrechen, ich hätte keine Konsequenzen zu befürchten. Aber ich rede mir ein, daß Alk keinen richtigen Rückfall bedeutet, was natürlich Schwachsinn ist. Die Wahrheit ist: ich bin noch lange nicht soweit, um in mein altes Leben zurückzukehren, dafür ist mein Absturz noch in zu guter Erinnerung!

In der Küche läuft alles über Verträge. Ich bin der Chef, aber auch mit Abstand der Unfähigste. Ulu, der junge Türke, ist ein fähiger Koch. Ich leih ihm n Fuffi, natürlich streng verboten, und er zaubert das Essen auf den Tisch. Mit den anderen arrangier ich mich auch irgendwie. Eine Hand wäscht die andere.

Artelt meinte heute nach dem Essen, daß diese Scheiße nicht mal Schweine gefressen hätten. Nettes Kompliment! Es gab Wirsing und keiner hatte n Plan wie man den Scheiß zubereitet. Als die Wirtschaftstussi kam, war es schon zu spät. Wir hatten den Kohl schon in den Topf geworfen und versucht irgendwas Eßbares hinzukriegen. Das ging leider nach hinten los. Artelt ist echt sauer und deutet an, daß er das morgen im Plänum thematisiert. Na toll!

Was für ein Fehler! Nachdem Janette’s Dreierausgang geknickt wurde, haben wir die kleine Maria mit in’s Boot geholt. Anscheinend konnte sie nicht auf ihrer Hütte bleiben. Ich höre, wie sie laut lallend über den Hof wankt und nicht nur die Therapeutin beleidigt, sondern auch den übertherapierten Assi, mit dem sie am Anfang n Techtel hatte. Der rafft natürlich sofort was los ist und haut auf den Gong. So ein Fuck…

Interessant! Maria hatte bei ihren 45 kg satte 1,35 Promille, ich nach der selben Menge Alk und fast 100 kg 0,18 Promille. Aber natürlich unwichtig, denn beides bedeutet das Gleiche: Rückfall ! Aber was sagte letztens noch ein Kollege: „Therapie fängt erst mit ner Rückfallbearbeitung an…“

Die geschrumpfte Pizza (Qualm II)

Endlich Feierabend ! Auch wenn man bei unserer Spätschicht schon um halb zehn zu Hause ist, der Tag ist trotzdem im Arsch. Was kann man jetzt noch groß machen, außer n Blech rauchen und dazu zwei Flunis schlucken? Richtig…

Freßkicks nach dem Kiffen kennt man ja, aber das ist nichts im Vergleich zu dem Heißhunger, den man auf Benzos bekommt. Ich könnt jetzt n halbes Schwein fressen. Hab aber leider nur ne Tiefkühlpizza Salami da, die muß es für’s Erste auch tun. Um viertel vor elf kann ich das Teil aus’m Ofen holen.

Ich gähne ausgiebig, ich glaub ich hab gepennt. Es riecht komisch. Und irgendwas stimmt mit meinen Augen nicht, ich sehe alles wie durch Nebel. Ach du Scheiße, das IST Nebel…

Von einer Sekunde auf die andere bin ich hellwach, auf dem Weg zum Ofen schaue ich aus den Augenwinkeln hoch zur großen Küchenuhr- ZEHN NACH ZWÖLF. Ich stell den Ofen aus und reiß die Klappe auf- was mal Pizza war, ist jetzt nur noch eine auf Untertassengröße  geschrumpfte schwarze Masse. Ich muß husten. Ich renne zum Fenster, reiße es auf, erst jetzt merke ich so richtig, daß die komplette Bude zugequalmt ist. Als ich Luft schnappe, sehe ich unten auf der Straße etwas aufleuchten- zwei schöne, rote Feuerwehrwagen- die, auf die man als Kind so abfährt- kommen gerade unter Blaulicht die Straße runter. Ich faß es nicht. Ne Sirene hör ich nicht, kann aber auch sein, daß ich schon längst unter Schock stehe und ich mich auf meine Sinne nicht mehr verlassen kann. Unter Drogen stehe ich alle Male…

Als ich die Wohnungstür aufreiße, hat sich die halbe Nachbarschaft vor meiner Bude versammelt. „Wir haben ne halbe Stunde Sturm geschellt. Wir dachten schon sie wären tod oder gar nicht da. Haben sie nichts gehört? Das gibt’s doch gar nicht!“ „Ich hatte Kopfhörer auf,“ stammel ich und merke im selben Moment wie schwachsinnig die Antwort ist- „Und dann bin ich wohl eingepennt!“ schieb ich noch schnell hinterher. Zur selben Zeit kommen vier Feuerwehrtypen die Treppe hochgelaufen. „Wohnen SIE hier?“

Nachdem ich gleich zweimal die komplette Siedlung abgesucht habe, finde ich Schnucki zu Hause hinterm Sofa. Und ich dachte sie wäre abgehauen, als die Feuerjungs hier so’n Heckmeck gemacht haben. Die Bude stinkt immer noch wie Sau. Und ich hab Kohldampf ohne Ende. Ob irgendwo um drei Uhr nachts wohl noch ne Pizzeria auf hat?

Beinah obdachlos (Qualm I)

img_20140422_18280422511Seit ein paar Tagen ist der Strom zurück. Nachdem mir Max die Kohle geliehen hatte, bin ich sofort zu den Stadtwerken gefahren. Fünf Tage und Nächte haben auch echt gereicht. Mit Taschenlampe und Teelichter hatte ich wenigstens  genug Licht, um lesen zu können, trotzdem, das passiert mir kein zweites Mal.

Ich genieße die restlichen Tage Urlaub und liege auf meinem ausgeklappten Schlafsessel, als auf einmal meine Wohnungstür aufgeht…Sechs Männer plus meine Vermieterin kommen einfach rein. Ich bin etwas konsterniert und ziehe mir erstmal ne Buxe an. Der Mann, der als einziger keine Arbeitsklamotten anhat, hält mir einen Wisch unter die Nase, aber ich weiß auch so, was die Stunde geschlagen hat. Und richtig, die ätzende Alte legt auch gleich los: „Ich habe Ihnen schon vor Wochen die Kündigung geschickt, aber anscheinend machen Sie ihre Post nicht auf!“ Bestimmt hat sie meinen überfüllten Briefkasten gesehen. Und sie hat natürlich recht, seit Monaten mach ich die Augen zu, wenn ich dran vorbeigehe. Der Typ vom Wohnungsamt, mittlereweile hat sich der Mann in Zivil als deren Vertreter vorgestellt, erklärt mir,daß die Kündigung rechtens ist, da ich a-Monate vorher einige Male meine Miete zu spät überwiesen- und b-keinen Einspruch gegen die Kündigung eingelegt habe. Hinterher erzählt er mir, daß die mich sonst niemals aus der Bude rausbekommen hätten.

Während ich ne Tasche mit dem Nötigsten packte, räumen die fünf anderen meine, jetzt ehemalige, Bude leer. Man nennt mir eine Adresse, wo meine Klamotten untergestellt werden und wo ich sie beizeiten wieder abholen kann. Anscheinend hab ich Glück im Unglück- im Obdachlosenheim in Remscheid ist ein Zimmer frei. Nachteil: ich kann Schnucki nicht mitnehmen, da Katzen dort nicht erlaubt sind. Das geht natürlich gar nicht, aber für den Moment muß ich mir was einfallen lassen. Der Typ vom Wohnungsamt bietet an, mich zu fahren.

Nach einer echten Horrorfahrt (Schnucki haßt Autofahren) halten wir direkt vor der Haustür. Eine völlig verpennte Geli öffnet die Tür. „Du mußt mir n großen Gefallen tun…“

Schnucki ist also für’s Erste untergebracht. Mit meinem Fernseher und den paar Klamotten erreichen wir das Pennerheim. Ein ca 15 qm großes Zimmer,mit Klo und Dusche, ist für die nächsten Wochen mein zu Hause. Der Mensch vom Amt haut mir nochmal auf die Schulter. „Kopf hoch, wird schon wieder!“

Nach einer Stunde, ich hab gerade die heutigen Ereignisse einigermaßen verdaut, geht auf einmal der Feuermelder los. Dieses scheiß Geräusch ist so laut, daß es von nebenan kommen muß. Ich lauf auf den Flur und sehe, wie aus dem Nachbarzimmer Qualm durch die Türritze nach außen dringt. Ich geh rein. Auf dem Herd brennt gerade irgendwas ziemlich an und es stinkt bis zum Geht nicht mehr. Auf dem Sofa liegt ein Typ regungslos, vor ihm auf einem kleinen Tisch liegen Spritze, Löffel, Feuerzeug, Gürtel. Kein Zweifel, der Kollege hier hat sich vor Kurzem n Knaller gemacht. Ich schüttel ihn und nach ein paar Sekunden reagiert er tatsächlich, ohne aber zu schnallen was los ist. In der Zwischenzeit ist eine Frau aufgetaucht, anscheinend so ne Art Hausmeisterin. „Die Feuerwehr ist alarmiert.“ „Dann rufen Sie gleich wieder an und  bestellen sie ab. Ist nichts passiert. Der Kollege hat bloß sein Essen anbrennen lassen, weil er eingepennt ist.“ Sie schaut ein wenig skeptisch. „Was hat er denn?“ „Anscheinend n Tacken zuviel getrunken!“ lüge ich, aber sie scheint zufrieden mit meiner Antwort und bewegt sich Richtung Haustelefon. Ich packe mir den Typ und geh mit ihm ein paar Schritte, damit sein Kreislauf wieder in Gang kommt. Aber die Gefahr einer Überdosis besteht nicht mehr.

Nachdem Schnucki drei Tage und Nächte bei Geli oben auf’m Schrank saß, ohne was zu fressen, hab ich sie heimlich hierhin geholt. Auf der Alleestraße kommt mir mein Zimmernachbar entgegengetorkelt und sagt allen Ernstes: „Hamse vielleicht mal n Euro? Ich bin obdachlos.“ Und ich merke, daß der Typ wirklich glaubt, mich noch nie gesehen zu haben. Während ich die 50 Cent rauskrame, die ich noch vom Einkaufswagen in meiner Hosentasche habe, denke ich nur, daß ich wohl mal ne Wohnung suchen muß. Aber dringend !

Therapie (2)

Das muß ich erst mal sacken lassen- außer mir sind hier zur Zeit noch 31 weitere „Patienten“, davon 20 Typen – und ich bin anscheinend der Einzige, dem es wirklich wichtig ist, die Deutschen sehen zu können. Draußen geht gerade im ganzen Land ne große Party ab, was für mich beinah Grund genug gewesen wäre die Therapie zu verschieben, und hier drin interessiert’s keinen. Aber scheiß auf Party, ich will einfach nur das Spiel sehen. Ich stelle also einen schriftlichen Antrag, daß das Abendessen heute nach hinten verschoben wird. Wenn ich den nicht durchbekomm, weiß ich echt nicht wie ich reagiere…

Bin jetzt eben völlig ausgerastet, als beim Elferschießen kurzzeitig das Bild weg war!  Nix Flachbildschirm oder so, ein uraltes, kleines Schrottteil, vor dem wir uns mit fünfzehn Leuten drängeln. Komischerweise wollte doch die halbe Truppe das Spiel sehen. Und jetzt ist alles gut- die Jungs sind im Halbfinale (gleich erstmal Antrag schreiben). Überall geht das Gehupe los- wäre jetzt gerne draußen…

Ich denke ich bin jetzt angekommen. In den letzten zwei Wochen hatte ich die Verantwortung in der Wäscherei, das hat nicht nur Spaß gemacht, dieses kleine bißchen Macht,  wer wann außerhalb der „erlaubten“ Zeit seine Klamotten waschen darf, war ne interessante Erfahrung. Die Übertherapierten werden auf einmal doch wieder zu abgewichsten Junks, nur weil es darum geht, daß sie morgen ihren Lieblingspulli anziehen können. Die Mädels machen dir mal kurz schöne Augen und flirten ein bißchen, sie wollen ja morgen in der Lieblingsjeans wieder gut aussehen. Mit dem Ergebnis, daß ich jetzt mit fast jedem sogenannte „Verträge“ habe. Noch so’n Therapiewort, bedeutet soviel wie: ich kenn deine Regelverstöße, du kennst meine, wir halten beide die Schnauze. Eigentlich Kinderkacke! Der Turkey läßt immer mehr nach. Nur die Niesattacken werde ich nicht los.

Plänum war geil heute! Thema: pro und contra von Drogen. Nachdem ein paar Luschen einen erzählt haben, wie schlimm und Scheiße alles wäre, daß vor allem harte Drogen die Hölle sind und blablabla- also nur contra- , war ich dann dran. Ich hab die Leute gefragt, warum sie denn überhaupt süchtig geworden sind. Warum sie ihre komplette Zeit dem Nachjagen von Drogen gewidmet haben. Daß sie überhaupt noch lachen könnten, wenn es sich in ihrem Leben den ganzen Tag um ne Sache dreht, die sie so sehr verabscheuen. Danach ging dann ne gute Diskussion los…Ich hab bei vielen das Gefühl, daß sie unbedingt den Therapeuten gefallen wollen, gerade mit dem 35er im Rücken (ich bin hier wirklich der Einzige, der keine Auflagen zu erfüllen hat. Der Einzige, der sozusagen „freiwillig“ hier ist). Dabei wollen die Therapeuten vor allem, daß man Echt ist und hier keine Rolle spielt. Aber das peilen die meisten einfach nicht. Wenn ich an Drogen alles toll finden würde, dann wäre ich bestimmt auch nicht hier. Aber ich wll nicht rausfinden, warum ich Heroin so Scheiße finde, sondern ich suche hier eher nach der Antwort, warum ich Heroin so geil finde…

Fuck, ich weiß nicht, wie ich aus der Nummer rauskommen soll- man hat mir vorhin die Rolle des Küchenchefs zugeteilt. Ich hätte mal besser nicht erwähnt, daß Küche für mich Horror bedeutet. Nachdem sich meine Kochkünste auf ne Pizza im Ofen schieben beziehen, muß ich jetzt sechs Wochen lang dafür sorgen, daß für 40 Menschen mittags ein anständiges Essen auf dem Tisch steht. Nicht nur das- vorher muß ich den Bestand prüfen, Sachen nachbestellen, Kühlhaus kontrollieren und und und. Ich hab auf einmal einen tierischen Suchtdruck…