Ich habe allergrößtes Mitleid mit Hassi, gleichzeitig bin ich überaus dankbar, daß er und nicht ich in dieser fast schon ausweglosen Situation steckt. Der unfaßbar riesige Rottweiler der Bimbofamily hält Hassi’s lange Stelzen anscheinend für ne geile Hündin. Der Köter ist vollkommen außer sich und obwohl ich unbeteiligt mit ausreichend Abstand die Szenerie beobachte, habe ich trotzdem Schiß vor dem Ungeheuer, wie soll es da erst Hassi gehen, der krampfhaft versucht das Vieh auf Distanz zu halten und dabei einen fast schon flehenden Blick zu Whoopi, Chucki’s Big Mama wirft, die aber weiter in ihrer Fernsehzeitung blättert, als wäre alles in bester Ordnung.
Es kommt öfters vor, daß Chucki nicht da ist, was uns aber eigentlich völlig egal ist, solange seine Schwester oder Whoopi ihn vertreten und uns das Zeug verticken. Deshalb war es halb so schlimm, als wir ihn nicht antrafen. Schlimm ist, daß das Zeug alle ist und wir seit einer Stunde auf ihn warten, daß er mit der neuen Lieferung auftaucht. Laut Big Mama müßte er längst zurück sein.
Über ein halbes Jahr lang konnte ich nicht mitfahren, was ja eigentlich ein Vorteil ist. Aber natürlich konnte ich auch nicht von Hassi, Micha oder Toni verlangen, daß sie jedes Mal für lau meine Schore über die Grenze schmuggeln. Außerdem war es nie meine Stärke zu Hause zu sitzen und zu warten, ich wollte immer mit dabei sein. Aber selbst Schuld. Chucki hatte mir 50g auf Kombi gegeben. Von IHM kam der Vorschlag. Das wäre besser, als wenn ich immer nur für läppische fünf oder zehn Gramm vorbeikommen würde. Ich sollte davon doch was verticken und wenn ich die Kohle zusammenhätte, würde er mir die nächsten 50 mitgeben. Ein einziges Mal hat es geklappt, danach war ich selbst mein allerbester Kunde und hab das Meiste konsumiert- natürlich ohne die Kohle auftreiben zu können.
Nach sechs Monaten meinte Chucki, die Jungs sollten mir bestellen, daß er nicht mehr sauer wäre und daß ich wieder kommen könnte. Er hatte in all den Jahren soviel an mir verdient, obwohl ich ja immer nur so angeblich läppische Mengen geholt hatte, daß er auf mich als Kunden anscheinend nicht verzichten wollte und mal eben den Verlust von 1000 D- Mark in Kauf nahm.
Also bin ich wieder mit am Start. Nicht nur das, mittlerweile bekomm ich meinen Stoff wieder auf Kombi, allerdings NUR 25g- und bis jetzt klappt’s mit dem Ticken. Der Rottweiler läßt Hassi endlich in Ruhe, aber jetzt wird’s noch schlimmer…Das jüngste Mitglied der Familie ist behindert. Irgendwas zwischen Down-Syndrom und noch ne Stufe krasser. Wir wissen nicht genau, ob Junge oder Mädchen. Könnte erst 8 Jahre alt sein, vielleicht aber auch schon 14. Jedenfalls macht sie/er es dem Köter nach und reibt sich an Hassi’s Bein und gibt dabei grunzartige Geräusche von sich. Hassi ist ein friedfertiger Zeitgenosse, mit ein Grund, warum ich ihn seit dem 1.Schuljahr in mein Herz geschlossen habe. Aber jetzt läuft sein Gesicht verdammt rot an. Ich denk nur „Bleib cool, Hassi, bitte nicht ausrasten- denk an die gute Schore…“. Big Mama blättert weiter in ihrer Zeitschrift, obwohl sie genau mitbekommen muß, welch Drama sich da gerade abspielt. Hassi nimmt das Downie und versucht es sanft von sich zu reißen. Klappt nicht so ganz, außerdem fängt das Balg an lauthals zu protestieren…
Die Tür geht auf und Chucki kommt rein. Er sagt irgendwas auf seinem Jamaika/Englisch-Holländisch- Slang und sofort läßt Downie Hussi’s Bein los.
Als wir im Auto sitzen und Hassi den Nissan startet, sieht er um Jahre gealtert aus. „Alter, was war das denn für’n Horrorstreifen?“ Ich klopf ihm auf die Schulter. Das Wichtigste: Der Sack mit dem Heroin ist vorne im Motor gut verstaut!
Meine Eltetn sind im Urlaub, also findet das Abpacken und Abwiegen zu Hause im Wohnzimmer statt. Sajo hat eben schon geschellt, aber ich hab ihn vertröstet. Erstmal in Ruhe einen machen, er soll in ner Stunde wiederkommen.
Klappt mal wieder nicht so richtig, weil meine Venen dicht sind. Blut tropft auf dem Teppich und es schellt schon wieder. Ich guck aus dem Fenster- Ingolf und Michel Hupper, zwei Hardcorejunkbrüder aus Klausen schauen hoch. So ein Fuck! Wenn die erstmal Schore gerochen haben, wirst du die so schnell nicht mehr los. Ingolf alleine find ich noch ganz in Ordnung, sein Bruder geht gar nicht. Natürlich hat Sajo ihnen gesteckt, daß wir n Beutel braunes Pulver aus Holland geholt haben, wahrscheinlich verspricht er sich davon, daß wir uns nicht soviel Zeit lassen. Und sein Plan geht auf, denn- und das ist noch NIE vorgekommen- ich lege die Spritze beiseite. Das Blut ist eh geronnen, das gibt eh keinen mehr und bevor ich neu anfange zu kochen, will ich die beiden Huppers aus meinem Schädel haben. Hassi ist längst fertig, nicht nur, daß er bessere Venen hat, er hat es einfach drauf.
Mittlerweile ist es dunkel, alle fünf Minuten schellen die Huppers Sturm, die letzten fünf Gramm müssen abgepackt werden. Als wir fast fertig sind, höre ich, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wird. Ich bekomm fast ne Herzattacke, hau die Wohnzimmertür hinter mir zu und bereite mich auf das Schlimmste vor. Meine Schwester, die mit ihrer Familie ganz unten ne Wohnung- und einen Ersatzschlüssel meiner Eltern hat, steht auf der Matte. Shit, ich dachte die wären nicht da… „Draußen vor der Haustür schwirren zwei Typen rum, sehen ziemlich fertig aus, die meinten sie müßten unbedingt mit dir reden und ob ich sie reinlassen könnte. Hab ich aber nicht gemacht. Was wollen die denn?“ „Äh, keine Ahnung, ich hab glaub ich noch ein paar Scheiben von denen ausgeliehen. Ich geh gleich mal runter.“ Ich bete leise für mich, daß sie nicht ins Wohnzimmer geht. Außer einem völlig breiten Hassi, würde sie ne Waage und unzählige abgepackte Bubbles auf dem Tisch liegend vorfinden. Nicht gut…
Meine Sis ist weg, ich bringe Hassi, der mit seinem Anteil abhauen will, zur Haustür, wo nicht weit entfernt Sajo und die Huppers erwartungsvoll rumstehen. Ich gebe Sajo seine zwei Gramm, Kohle hatte er mir schon gegeben, und noch bevor ich ihm den Kopf abreißen kann, läßt er mich mit den beiden Junk-Brüdern allein. „Hörmal, wir sind leider blank, aber du kannst hier die CD’s haben, die sind nagelneu.“ Tracey Chapman und Bruce Bringsteen, verschweißt, also geklaut. Naja, es geht schlimmer, anhören werde ich sie mir wohl trotzdem nicht. Aber ich weiß genau, ohne daß sie von mir nicht jeweils mindestens ein Gramm bekommen, lassen sie micht nicht in Ruhe. Ich geb ihnen ihre Bubbles, nehm die CDs und fürchte, daß ich Chucki schon sehr bald ein zweites Mal enttäuschen werde…
Selig breit schlafe ich ein. Daß ich morgen wieder an der Drehbank stehe und danach Bubbles für Chucki’s Kohle verticken muß- was soll’s, dafür hab ich ja einige Knaller für lau. Ich bin ein cleverer Junge und die Sonne scheint mir aus dem Arsch!